Grün statt Grau
Neukölln hat mehr Grünflächen als vielen Berlinerinnen und Bewohnern bekannt sind. Auch die Bewohnerschaft eines Stadtteils kennen oft nur, was in ihrem direkten Wohnumfeld ist. Gerade in dem besonders dicht bebauten Nord-Neukölln werden Grünflächen wie die Hasenheide und das Tempelhofer Feld deshalb sehr intensiv genutzt; nicht selten konfliktträchtig und zum Schaden der Natur. Dennoch sind auch auf diesen Flächen Naturerleben und Umweltbildung möglich, wie z.B. das Forscherzelt, die Rallye Hasenheide und andere Naturentdeckungspfade und -touren anschaulich zeigen. Vor allem südlich des Berliner S-Bahn-Rings gibt es grüne Erholungs- und Lernorte wie den Britzer Garten, die August-Heyn-Gartenarbeitsschule sowie Grünzüge und Stadtteile wie die Hufeisen-Siedlung (UNESCO Kulturerbe Gartenstadt), die neben dem Naturerleben auch historisch und architektonisch über den Bezirk hinaus interessant sind. Solche Bildungsangebote bekannter zu machen und zum Besuch von weniger bekannten Ausflugszielen, Erholungs- und Lernorten südlich des S-Bahnrings zu animieren, sieht die Koordinierungsstelle Neukölln als ihre Aufgabe. Besonderer Fokus soll auf die Stadtteile Buckow, Rudow und Britz gelegt werden, in denen es bisher weniger Umweltbildungsangebote und Akteure gibt. Umweltbildung wird dabei im Zusammenhang mit Lebenswelterkundung gesehen. Über die Auseinandersetzung mit der Struktur und der Geschichte des Kiezes wird die Identifikation mit ihm gefördert. Die dient sowohl dem sozialen Zusammenhalt wie der gemeinsamen Übernahme von Verantwortung für den Zustand der (nicht nur natürlichen) Umgebung.
Wir sind Vielfalt
Die Neuköllner Bevölkerung ist sehr divers. Die Koordinierungsstelle für Umweltbildung in Neukölln strebt daher an, allen Menschen unabhängig von ihrer Sprache, ihrem Bildungsstand und Alter Zugänge zu Natur-, Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsbildung zu ermöglichen. Sie will deshalb vor allem Angebote fördern und vernetzen, die inklusiv und generationenübergreifend sind. Die Koordinierungsstelle arbeitet darauf hin, dass Akteure Angebote entwickeln oder ihre Angebote bekannter machen können, die einen starken Bezug zu den unterschiedlichen Lebensverhältnissen und Alltagsrealitäten von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen haben. Bedarfsorientierte und zielgruppenspezifische Angebote u.a. für junge Kinder, Familien, Seniorinnen und Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete, Menschen mit Beeinträchtigungen sowie Menschen aus bildungsfernen Milieus sollen gestärkt werden. Wo es noch keine solche Angebote gibt, soll die Neuentwicklung angeregt und unterstützt werden, z. B. über die Kooperation mit Quartiersmanagements, Bibliotheken und der Volkshochschule.
Neukölln beherbergt viele beispielhafte, innovative Umweltbildungsprojekte. Grüne Schulhöfe, Schulgärten und Kita-Außenflächen werden ergänzt durch Urban Gardening-Projekte wie die Prinzessinnengärten, der Klunkerkranich, der Comenius-Garten und das Allmendekontor, die über den Bezirk hinaus bekannt sind und wirken. Hinzu kommt eine Vielfalt an Projekten zur Nachhaltigkeit z.B. von KunstStoffe, dem CRCLR-Lab, den Repair Cafés und den offenen Werkstätten zum Thema Müll und Ressourcen Akteure wie Yesil Cember, die Umweltpeers (LaRed) und Trial& Error richten ihre Angebote vorbildhaft auf die vielsprachige Bevölkerung des Bezirks aus. Akteure wie aTip:Tap und die Floating University ergänzen den Themenbereich Wasser, Kate e.V., die Britzer Müllerei und Märkisch Landbrot den Bereich Ernährung und Herkunft der Lebensmittel. Sie auf der Webseite und bei Akteurstreffen zu präsentieren ist ein wichtiger Schritt, um anderen Anregungen zum eigenen Handeln zu geben. Die Koordinierungsstelle hat dies in 2021 bereits begonnen und wird dies in 2022 fortführen. Sie gibt damit Impulse, sich konkret für Natur und Umwelt zu engagieren.
Anstiftung zum Handeln
Zum Handeln und Nachmachen anzuregen, ist ein wichtiger Arbeitsschwerpunkt der Koordinierungsstelle. In 2022 sollen deshalb auf der Webseite oder evtl. auch im Newsletter einzelne Akteure mit besonders guten Angeboten als Best-Practice-Beispiele hervorgehoben werden. Insgesamt sollen die Handlungskompetenzen der Bewohnerinnen und Bewohner Neuköllns aktiviert und gefördert werden. Themen wie gesunde, nachhaltige Ernährung, aber auch Müll, die Nutzung öffentlich zugänglicher Räume und die Verkehrssituation sind dringliche Anliegen im Bezirk, die durch die Angebote aufgegriffen werden sollten.
Damit Kinder von Anfang an mit einem Bewusstsein für Natur und für ihre Umwelt aufwachsen, sollen insbesondere Angebote für Kitas und Kinder im Vorschulalter sowie für Familien im Fokus stehen. Die erste Bedarfsanalyse, die die Koordinierungsstelle Anfang 2021 veröffentlicht hat, zeigt, dass es in diesem Bereich einen hohen Bedarf gibt. Wichtig sind dabei niedrigschwellige, praxis- und handlungsorientierte sowie spielerische Formate und Methoden. Durch die die Einschränkungen durch die Corona-Infektionsschutzverordnung konnte die Bedarfsanalyse vor allem an Kitas und Schulen nur eingeschränkt durchgeführt werden. Diese wird deshalb fortgeführt und weiterhin ausgewertet, um die Arbeit der Koordinierungsstelle effektiv auszurichten. Die Formulare zur Abfrage der Daten stehen dauerhaft online und die Teilnahme wird weiter beworben.
Zusätzlich wird die Naschecken-Aktion, die bereits 2020 erfolgreich an Kitas und Schulen im Bezirk durchgeführt wurde, im Herbst 2021 in Neuköllner Kitas umgesetzt. Hierfür wurde auch ein Geräteverleih aufgebaut, der weiter ausgebaut und beworben werden soll. Auch in 2022 sollen diese Angebote und Aktionen weitergeführt werden. Außerdem strebt die Koordinierungsstelle an, bei den Akteuren für Umweltbildung z. B. bei den Akteurstreffen ein Bewusstsein für den Bedarf an solchen Angeboten zu wecken.
Stadtnatur geht überall
Neukölln hat viele Flächen und Orte, die als Umwelt-Lernorte genutzt werden könnten. Der Naturlehrpfad in der Kolonie Freiheit oder die Ökolaube zeigen, dass dies auch an traditionell eher verschlossenen Orten wie einer Kleingartenanlage möglich ist. Um die Entwicklung und den Ausbau von Bildungsangeboten für diese Erfahrungsräume zu fördern, arbeitet die Koordinierungsstelle nicht nur mit den vielfältigen Akteuren der Umweltbildung, sondern auch mit anderen in den Kiezen verankerten lokalen Akteuren zusammen. Dazu gehören neben den Quartiersmanagements, den Wohnungsbaugesellschaften und den freien, kirchlichen und sozialen Trägern auch die öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken und Volkshochschulen. Daneben ist die Zusammenarbeit mit schon bestehenden Initiativen wie den Stadtnaturrangern, den Stadtteilmüttern oder der Kampagne „Schön wie wir“ ein Baustein der Netzwerkarbeit.
Die Koordinierungsstelle möchte in 2022 erreichen, dass an mehr Bildungs-, Kinder/ Jugend- und Familieneinrichtungen sowie bei öffentlichen Gebäuden Freiflächen zu Umweltbildungs- und Naturerlebnis-Orten umgewandelt werden. Dies muss zukünftig in der Planung und Entwicklung dieser Standorte einbezogen werden. Die Nutzer*innen an den Prozessen aktiv zu beteiligen, ist für ihre Identifikation mit den neugestalteten Orten von grundlegender Bedeutung. So soll nicht nur Vandalismus vorgebeugt, sondern auch eine aktive Mitgestaltung und gemeinschaftliche Nutzung der Orte dauerhaft wachsen. Durch die Vermittlung von kompetenten Beratungseinrichtungen oder Beraterinnen bzw. Beratern unterstützt die Koordinierungsstelle lokale Initiativen.
Ansporn für ….
In Neukölln gibt es viele ehrenamtlich oder freiberuflich arbeitende Akteure, die ein breit gefächertes Spektrum von umweltbezogenen Themen für verschiedene Zielgruppen anbieten. Ebenso vielfältig strukturiert und oft kompliziert ist die Finanzierung der Angebote.
Die Koordinierungsstelle setzt sich auf politischer Ebene dafür ein, dass Finanzierungen verstetigt werden. Auf ihrer Webseite informiert sie über Fördermöglichkeiten. Zudem hat sie auf ihrer Webseite über ein Formular die Möglichkeit für Akteure geschaffen, ihre Angebote für das Förderpaket „Stark trotz Corona“ anzugeben. Sie wird die Akteure bei Bedarf zur Anpassung ihrer Angebote an die Bedarfe und die Anforderungen dieses Programms beraten und die Angebote ab Oktober 2021 auf der Webseite präsentieren.
Die Koordinierungsstelle setzt sich aber auch darüber hinaus zum Ziel, die Angebote der Akteure zielorientiert an die Zielgruppen zu vermitteln. Dafür sollen die Akteure ggf. gezielt beraten und unterstützt werden, ihre Angebote nach bestimmten Zielsetzungen wie z.B. den Bildungs- oder Rahmenlehrplänen oder bestimmten Altersstufen wie dem Kitabereich zu entwickeln. Die Vernetzung von Akteuren mit Angebotssuchenden, insbesondere auch im Bezirksamt, ist eine weitere Kernaufgabe der Koordinierungsstelle für 2022.
Die Präsentation der Akteure auf der Webseite der Koordinierungsstelle macht diese sichtbarer und unterstützt ihre Öffentlichkeitsarbeit. Die Webseite der Koordinierungsstelle wird weiter ausgebaut, damit Suchende in dem großen Spektrum der Neuköllner Umweltbildung passende Angebote finden und sich über aktuelle Aktionen/ Veranstaltungen/ Projekte informieren können.
Die Organisation von Akteurstreffen dient darüber hinaus dazu, die Akteure untereinander zu vernetzen und ihr Schwarmwissen für alle zugänglich zu machen. Angestrebt ist, diese mindestens vierteljährlich stattfinden zu lassen. Hierfür wird kontinuierlich die Adressdatenbank erweitert und aktualisiert. Das Feedback der Akteure zur Beratung- und Vermittlungsarbeit sowie zur Funktionalität der Webseite ist für die Koordinierungsstelle ein steter Ansporn für Verbesserung des Angebotes. Insbesondere bei den Vernetzungstreffen wird dieses deshalb aktiv eingeholt.
Eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit über das Bezirksamt und die Presse sollen die Angebote der Koordinierungsstelle bekannter machen. Dabei sollen sowohl die Akteure im Bezirk als auch die an Umweltbildung Interessierten angesprochen werden. Um dabei auch Menschen mit geringerem Bildungsstand oder Deutschkenntnissen einzubeziehen, sollte eine Übersetzung der wesentlichen Informationen der Webseite und weiterer ausgewählter Materialien in Leichte Sprache in Zukunft angestrebt werden.
Vielfalt macht Qualität
Die Bedarfsanalyse sowie das erste Akteurstreffen in 2021 haben gezeigt, dass es in mehrfacher Hinsicht den Bedarf für Fortbildungsangebote gibt. So besteht aufseiten der Akteure Interesse daran, über Fördermöglichkeiten, adressaten- und altersgerechte Formate und zielgerichtete Bewerbung der Angebote besser informiert zu sein. Daneben besteht vor allem im Kitabereich der Bedarf nach Fortbildungen sowohl zu einzelnen Inhalten der Umweltbildung, als auch zur kindgerechten Vermittlung der Themen. Und auch für die Abteilungen im Bezirksamt hat die Koordinierungsstelle die Notwendigkeit festgestellt, Informationen zu den Akteuren und deren Themen zu vermitteln, um durch ein vertieftes Verständnis der verschiedenen Blickwinkel ein besseres Klima für die Zusammenarbeit zu schaffen.
Die Sammlung und Vermittlung von Information über Qualifizierungsangebote soll in Neukölln, die Qualität der Umweltbildungs-Angebote stärken. Multiplikatoren wie z. B. Lehrkräfte, Ehrenamtliche oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Freizeiteinrichtungen sollen so darin unterstützt werden, eigenständig Umweltbildungsangebote zu machen und Naturerleben in den Alltag der Einrichtungen, Initiativen oder Vereine einzubinden. Die Akteure sind hier von Bedeutung für die Qualifizierung z. B. durch Teamfortbildungen in Kitas etc. Jedoch können die Akteure durch die in diesen Einrichtungen viel über die Verbesserung ihrer Angebote erfahren. Die Koordinierungsstelle will deshalb in 2022 eine gezielte Anregung und Vermittlung von Fortbildungsangeboten für festgestellte Bedarfe entwickeln.
Ressorts als Ressource
In Neukölln wurde in 2021 mit dem Beschluss des Bezirksamts über die Zusammenarbeit der Koordinierungsstelle mit den verschiedenen Abteilungen des Bezirksamts eine wichtige Grundlage geschaffen, ressortübergreifend zusammenzuarbeiten.
Durch die gezielte Kontaktaufnahme zu Abteilungen des Bezirksamts, z.B. der Bezirkslehrerkonferenz und der Bezirkselternkonferenz, den Bibliotheken und der VHS wurden bereits ersten Schritte zur Etablierung einer dauerhaften Kooperation gemacht. Des Weiteren gilt es jetzt, zielgerichtet Schulen und ihre Lehrkräfte sowie Kitas anzusprechen und die Angebote der Koordinierungsstelle dort bekannt zu machen.
Da die Entwicklung der Umweltbildung in Neukölln nun als eine ressortübergreifende Aufgabe definiert wurde, wird die Koordinierungsstelle in 2022 eine intensive Vernetzung mit den Ressorts anstreben. Das Ziel ist die Einbindung der Koordinierungsstelle für Umweltbildung in deren Arbeitsstruktur zu entwickeln. Insbesondere wird sie darauf hinwirken, in Vorhaben mit für Umweltbildung wie die Umgestaltung oder Sanierung von Schulgebäuden und –Höfen, Parks o. ä. einbezogen zu werden. Darüber hinaus soll der Einsatz partizipatorischer Verfahrensweisen bei Umweltprojekten, besonders von Kinder und Jugendlichen sowie von Anwohnern und Anwohnerinnen, unterstützt werden. Ziel ist es, den Bewohnern Neuköllns die Erfahrung von Selbstwirksamkeit bei der Gestaltung ihres Lebens- und Lernumfeldes zu ermöglichen und sie so zu weiterem Handeln zu ermutigen.
Damit eine effektive und positive Zusammenarbeit nicht nur mit der Koordinierungsstelle, sondern auch zwischen den Ressorts gefördert wird, ist angedacht, in 2022 ein Vernetzungstreffen mit den relevanten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Ressorts in Bezirksamt zu organisieren. Auch soll die Entwicklung und Vermittlung von Weiterbildungsangeboten für diese Zielgruppe durch die Umweltbildungs-Akteure angeregt werden.
Bildungsorchester
Die Vielschichtigkeit der Neuköllner Bevölkerung erfordert eine ebenso große Vielfalt der Herangehensweisen, um Natur-, Umwelt-, Klima- und Nachhaltigkeitsthemen zu vermitteln und zu fördern. Zurzeit stehen vielfach analoge und ortsgebundene Angebote im Vordergrund. Um insbesondere bildungsferne Zielgruppen und Familien anzusprechen, bedarf es neuer, leichter zugänglicher Formate. Diese sollen näher bzw. an den Orten stattfinden, die von diesen Zielgruppen frequentiert werden. Gleichzeitig bieten, vor allem in Pandemiezeiten, digitale Angebotsstrukturen wie z.B. QR-Codes in Parks Chancen, um umweltbildungsferne Zielgruppen wie Jugendliche zu erreichen.
Die Gesamtheit dieser Vielfalt, von beiläufig nutzbaren bis zu langfristig laufenden Angeboten mit festen Gruppen und von niedrigschwelligen, leicht konsumierbaren Erlebnissen bis hin zur intensiven Auseinandersetzung mit bestimmten Themen soll durch die Vernetzung und Koordinierung der Aktivitäten der unterschiedlichen Akteure im Bezirk mit den Trägern formaler Bildung sowie den Abteilungen des Bezirksamtes zu einem differenzierten Klangbild des Bildungsorchesters im Bezirk werden. Umweltbildung kann nach dem Verständnis der Koordinierungsstelle nur durch ein multimodales, gemeinsam agierendes Bestreben aller Beteiligten mit der Dringlichkeit in alle Bereiche der Gesellschaft in Neukölln gebracht werden, die angesichts der aktuellen Entwicklungen von Biodiversitätsverlust, Klimawandel und gesellschaftlicher Integrationsbedarfe notwendig ist.